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Gestattungsverträge mit Verbrauchern – Ende der Pflicht zur Widerrufsbelehrung und zur Vertragsinformation

Lange war streitig, ob mit dem BGH-Urteil vom 22.9.2020 (XI ZR 219/19) auch die Pflichten des Projektentwicklers endeten, den Verbraucher im Rahmen des Flächennutzungsvertrags über ein Widerrufsrecht aufzuklären sowie den Vertrag eine Liste von Vertragsinformationen beizulegen.

 

Diese Unsicherheit ist mit der Änderung der EU-Richtlinie 2011/83 und ihrer Umsetzung in deutsches Recht am 10. August 2021 beseitigt worden. Eine Pflicht für Projektentwickler, die Pflichten aus Verbraucherverträgen gemäß § 312 BGB zu beachten, besteht mit Wirkung zum 28. Mai 2022 nicht mehr. Somit können Gestattungsverträge zukünftig auch ohne Widerrufsbelehrung und Vertragsinformation wirksam abgeschlossen werden.

 

Zum Hintergrund:

 

EU-Richtlinie und §§ 312 ff BGB – Enge Auslegung des Verbraucherschutzes

 

Der typische Fall, in denen Verbrauchern besonderer Schutz gewährt wird, ist, wenn sie für Leistungen eines Unternehmers zahlen und dieses Geschäft telefonisch, online oder in ihren eigenen Räumen abschließen, also in den Fällen eines Fernabsatzgeschäftes. In diesen Fällen soll der Verbraucher durch eine Zusammenfassung der wichtigsten Vertragsinhalte besonders aufgeklärt werden (§ 312d BGB) sowie die Möglichkeit haben, innerhalb einer Bedenkzeit den Vertrag widerrufen zu können (§ 312g BGB).

 

Bisher ging man davon aus, dass die EU-Richtlinie 2011/83 Verbraucher auch in derartigen Situationen schützen wollte, in denen der Unternehmer ein Entgelt an den Verbraucher für eine Leistung des Verbrauchers zahlte, sog. „umgekehrte Leistungserbringung“. Denn die EU-Richtlinie sah ein Widerrufsrecht für alle Arten von Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern vor.

 

Die deutschen Gesetze zum Verbraucherschutz (§§ 312 ff. BGB) basieren auf der EU-Richtlinie 2011/83. Von dieser EU-Richtlinie darf der deutsche Gesetzgeber nicht einschränkend abweichen. § 312 BGB enthält jedoch entgegen dem Wortlaut der EU-Richtlinie die Formulierung „Verbraucherverträge, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben“. Der Anwendungsbereich der EU-Richtlinie war somit weiter als der von § 312 BGB.

 

Für viele Stimmen in der Fachliteratur verstieß § 312 BGB damit gegen geltendes EU-Recht. Folgte man dieser Meinung, dann musste § 312 BGB EU-rechtskonform ausgelegt werden und galt dadurch eben wieder für alle Arten von Verbraucherverträgen, also auch für die „umgekehrte Leistungserbringung“. Daher lautete für Grundstücksnutzungsverträge bisher immer die Empfehlung: Den sicheren Weg wählen und ein Widerrufsrecht vereinbaren.

 

 

Änderung der EU-Richtlinie – Klarheit für den Anwendungsbereich der Richtlinie

 

Im Januar 2020 wurde die EU-Richtlinie 2011/83 geändert. Seitdem gelten die Verbraucherschutzrechte für „alle Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden, bei denen der Verbraucher den Preis zahlt oder die Zahlung des Preises zusagt“. Dadurch hatte die EU eine klare Einschränkung des Anwendungsbereichs geschaffen: gemäß der neuen EU-Richtlinie ist für Verträge mit „umgekehrter Leistungserbringung“ der Anwendungsbereich nicht mehr eröffnet. Die Neufassung der EU-Richtlinie bedeutet auch, dass § 312 BGB seit dem 07.01.2020 EU-rechtskonform ist.

 

 

Das BGH-Urteil vom 22.9.2020 - Die Unsicherheit bleibt

 

Mit dem BGH-Urteil über die Anwendung von §§ 312 ff. BGB über eine von einem Verbraucher an ein Unternehmen gegebene Bürgschaft kamen dann Zweifel, ob sich für den Fall des Gestattungsvertrags die bisherige Rechtslage noch aufrecht halten lässt. Der BGH hatte sich in diesem Fall ausdrücklich positioniert:

„Hiervon abweichend setzt § 312 Abs. 1 BGB voraus, dass der Unternehmer gegen ein vereinbartes Entgelt des Verbrauchers die vertragscharakteristische Leistung erbringt. Eine entgeltliche Leistung des Verbrauchers unterfällt der Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht.“

 

Allerdings konnte die Situation im BGH-Urteil nicht eindeutig auf die Vertragssituation des Grundstücksnutzungsvertrags übertragen werden. Denn die Entscheidung des BGH betraf die Vertragssituation, in der der Verbraucher einseitig eine Zahlung gegenüber dem Unternehmer aus einer Bürgschaft schuldet. Sie betraf kein Austauschgeschäft.

 

So argumentierte aber der BGH:

  • Die unklare Situation, ob Bürgschaften widerruflich sind, war dem deutschen Gesetzgeber bereits bekannt, als er § 312 BGB formulierte. Der Gesetzgeber wollte aber ausdrücklich keine Klarstellung regeln. Damit habe der Gesetzgeber darauf verzichtet, den Verbraucher als Bürgen zu schützen.
  • Der deutsche Gesetzgeber wollte mit §§ 312 ff. BGB ausschließlich Verbraucherverträge erfassen, die als Austauschvertrag mit einer Gegenleistungspflicht des Verbrauchers ausgestaltet sind. Einseitige Verträge sollten nicht unter § 312 BGB fallen.
  • Der BGH verwies zudem auf eine BGH-Entscheidung zum Schuldbeitritt eines Verbrauchers, in der festgestellt wurde, dass ein Schuldbeitritt keine Finanzdienstleistung darstellt und somit kein Widerrufsrecht eingeräumt werden musste. Für die ähnlich gelagerte Bürgschaft sollte das Gleiche gelten.

Zusammengefasst blieb es auch nach dem BGH-Urteil bei der Unsicherheit, ob für Gestattungsverträge das Gleiche gelten solle wie für eine vom Verbraucher ausgegebene Bürgschaft.

 

 

Neufassung von §§ 312 ff. BGB - Nun auch Klarheit für das dt. Recht

 

Durch das „Gesetz zur Änderung des BGB und des EGBGB in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union und zur Aufhebung der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 auf das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz“ wurde schließlich die Änderung der EU-Richtlinie 2011/83 am 10. August 2021 verkündet und wird mit Wirkung zum 28. Mai 2022 in deutsches Recht umgesetzt.

 

Der Wortlaut in § 312 Abs. 1 BGB („Verbraucherverträge, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben“) wurde durch die Novellierung nicht geändert. Dies bedeutet, dass der deutsche Gesetzgeber den Streit um die „umgekehrte Leistungserbringung“ zwar kennt, dennoch wollte er keinen Schutz für den Verbraucher in dieser Situation gewähren. 

 

Deutsches Recht und die EU-Richtlinie stehen jetzt im Einklang und schützen den Verbraucher in den Situationen der „umgekehrten Leistungserbringungen“ ausdrücklich nicht. Aus diesem Grund sehen wir das Risiko dafür, dass ein Gericht entscheidet, § 312 BGB fänden auf Grundstücksnutzungsverträge (direkt oder analog) Anwendung, nur noch als sehr gering an.

 

 

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